Erinnerungskultur wird in Deutschland großgeschrieben, denn dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz hat, das sollten Kinder, die in Deutschland geboren wurden, quasi mit der Muttermilch aufsaugen. Aber ist es nötig an einer Schule, an der fast jeder Schüler einen Migrationshintergrund hat, Workshops über Antisemitismus zu veranstalten?
Die Antwort ist: Ja! Und so organisierte das Lehrerkollegium der Carl-Schomburg-Schule, im Rahmen der Radikalisierungsprävention für die Jahrgänge 9 und 10, Workshops mit dem jüdischen Rapper Ben Salomo. Hier zeigte sich, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund durchaus mit antisemitischen Inhalten in Kontakt kommen. Oftmals sind sie in sozialen Medien in einseitig geprägten Filterblasen zum Nahostkonflikt unterwegs, schnappen im Freundes- und Familienkreis polarisierte Darstellungen auf oder hören einfach gerne Deutschrap – und Gerüchte über Juden bleiben hängen, denn kennen tun die wenigsten Schüler einen „echten Juden“.
Grund genug, um Ben Salomo einzuladen und mit ihm ins Gespräch zu kommen. Organisiert und finanziert von der Friedrich-Naumann-Stiftung, war es am 11.03.24 so weit. In der Pausenhalle der Carl-Schomburg-Schule trafen in zwei Workshops rund 150 Schüler und Schülerinnen der Carl-Schomburg-Schule auf den Gründer der legendären „Rap am Mittwoch“-Show auf Youtube.
Viele kennen Rapper, die durch Ben Salomos Show groß geworden sind. So hängen sie an seinen Lippen, wenn er sie hinter die Kulissen der deutschen Rap-Szene führt. Er deckt auf, in welchen Rap Songs antisemitische Lügen über die Finanzherrschaft der Familie Rothschild versteckt sind und welche Rapper Arm in Arm mit bekannten deutschen Neonazis posieren.
Ben Salomo holt die Schüler genau da ab, wo sie stehen: bei ihrer Musik und in ihrer Lebenswelt. Noch dazu spricht er ihre Sprache, Bruder! Und dann redet er über ein Thema, das seit dem 07.10.23 wie ein rosa Elefant in deutschen Schulen steht: Was ist los im Nahen Osten und wie sind die „Informationen“ einzuordnen, die täglich auf mich einprasseln?
Ben Salomo erreicht sicherlich nicht alle Schüler, wenn er darauf aufmerksam macht, dass es nicht DER Nahostkonflikt ist, sondern DIE Nahostkonflikte – denn nicht nur zwischen Israel und den palästinischen Autonomiegebieten gibt es Konflikte. Auch Jesiden und Homosexuelle werden in einigen Gebieten des Nahen Osten diskriminiert und verfolgt. „Und Kurden!“ ergänzt eine Schülerin und noch mehr Schüler spitzen auf einmal die Ohren.
Er klopft ab, welche Gerüchte über Juden den Schülern schon zu Ohren gekommen sind und das sind nicht wenige: Juden zahlen in Deutschland keine Steuern, Juden sind alle reich und Juden beherrschen die Medien. Im Nachgang kommen Schüler und sagen, dass das, was er da erwähnt hat, noch harmlos ist. Sie haben gehört, dass alle Juden Kindermörder sind und
Muslime hassen… da wäre es schon erstaunlich gewesen, dass man heute einen echten Juden getroffen habe, der ganz anders ist. Und der offensichtlich auch nicht die Medien beherrscht, denn wenn es so wäre, würde er dort nicht so viel Hass erfahren. Ein bisschen nachdenklich sind einige nun doch geworden, ob all die Filme in den sozialen Medien so wahr sind, wie sie immer scheinen und ob es in solchen Konflikten wirklich nur schwarz und weiß gibt – oder vielleicht doch ganz viel grau?
Am Ende sind sich zumindest in einer Sache alle einig: Wir dürfen unsere Meinung haben und wir dürfen auch mal anderer Meinung sein, aber hassen, das dürfen wir uns nicht. Viel besser wäre es, wenn wir uns kennenlernen und merken, dass wir alle Menschen sind, die eigentlich nur eines wollen: In Frieden leben.